Staatliche Realschule Höchstadt

„Forschen und Tüfteln“, das Motto des ESFZ, durften Anfang September auch mal wieder Lehrer am …

>> Erlanger Schülerforschungszentrum (ESFZ)

 

Das ESFZ bietet normalerweise viermal im Jahr Schülern im Alter von etwa 14 bis 18 Jahren die Gelegenheit, intensiv eigenen Forschungen nachzugehen, um z.B. damit an „Jugend forscht“ oder dem GYPT (Germany Young Physicists Tournament) teilzunehmen – oder einfach mal eben zu „forschen und tüfteln“ mit professioneller Unterstützung durch engagierte Physikstudenten und eine Vielzahl von Messgeräten, die es in dieser Ausstattung an Schulen (oder gar bei dir zuhause) wohl nicht gibt.

 

Einmal im Jahr steht das ESFZ auch Lehrern offen. Nachdem ich bereits 2015 teilgenommen hatte, wollte ich in diesem Jahr wiederum Untersuchungen an Latentwärmespeichern machen. Das sind grob gesprochen Stoffe, die Energie in Form von Wärme dadurch speichern, dass sie ihren Aggregatszustand (fest, flüssig, gasförmig) ändern, ohne dass sich der Stoff selbst weiter erwärmt. Da man eben allein an der Temperatur des Stoffes nicht feststellen kann, ob in ihm Energie gespeichert ist, nennt man diese Energieform „latent“, was „verborgen“ bedeutet. Latente Wärme ist also Wärme, die in einem (kalten) Körper gespeichert ist und erst durch einen bestimmten Vorgang freigesetzt wird. Stoffe, die als Latentwärmespeicher Anwendung finden, bezeichnet man auch als Phasenwechselmaterialien, Abkürzung PCM für englisch phase change material.

 

Ein Latentwärmespeicher ist z.B. der Stoff Natriumacetat (genau genommen Natriumacetat-Trihydrat), den man in Taschenwärmern findet:

THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-001 THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-002

Eigentlich wollte ich direkt mit Natriumacetat arbeiten, da aber keine Chemikalien zur Verfügung standen, haben wir beschlossen, Taschenwärmer zu kaufen, um den Stoff daraus zu entnehmen. (Natriumacetat an sich ist nicht gefährlich; man sollte halt den Kontakt mit Augen vermeiden. Als Salz der Essigsäure riecht es entsprechend nach Essig.)

Da sich aber im vergangenen Jahr gezeigt hat, dass das Natriumacetat nicht so einfach zu beherrschen ist, wenn man es in einem offenen Gefäß hat, haben wir es in den Taschenwärmern belassen.

Unser Ziel war letztlich, das Natriumacetat in einen Wärmespeicher einzubauen, also in eine Art Thermoskanne, bei der die Energie z.B. mit Hilfe von Wasser zu- und abgeführt wird. Daher stellte sich zunächst eine andere Frage: Wie setzt man die Wärme frei?

Normalerweise geschieht dies bei den Taschewärmern, dass man, wenn das Natriumacetat flüssig (und kalt) ist, ein kleines Metallplättchen, das sich im Inneren des Taschewärmers befindet, mit den Fingern knickt und damit den Kristallisationsvorgang auslöst, der die latent gespeicherte Wärme freisetzt. Nur leider kann man das nicht mit den Fingern, wenn sich der Wärmespeicher in einem abgeschlossenen, isolierenden Gefäß befindet. Wie also löst man dann den Kristallisationsvorgang aus?

 

Die Idee: Beim Knicken des Metallplättchens im Taschenwärmer wird eine Druckwelle erzeugt, die den Kristallisationsvorgang auslöst.

Also wurde zunächst ein Ultraschallgenerator herangeschafft und als erstes untersucht, wie sich damit stehende Wellen erzeugen lassen:

THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-010 THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-011

Dass sich bei bestimmten Frequenzen (und exakter Austrichtung des Schallkopfes) tatsächlich stehende Wellen in Wasser erzeugen lassen, zeigt das Experiment von Debye-Sears, zu erkennen am Beugungsmuster, das der Laserstrahl beim Durchgang durchs Wasser an der gegenüberliegenden Wand erzeugt:

THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-012 THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-013

Also stand als Nächstes an, auch in einem Taschenwärmer eine (stehende) Ultraschallwelle zu erzeugen, um damit den Kristallisationsvorgang auszulösen:

THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-020 THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-021

Leider gelang dies nicht … :-(

 

Tiefergehende Recherchen im WWW brachten schließlich den Hinweis, dass dies wohl tatsächlich nicht möglich ist:

>> Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie – Wärmekissen: Schnelle Wärme aus Kristallen

Da diese Aussage mehrfach im WWW auftaucht, sich aber alle gefundenen Einträge auf eben diese Quelle beziehen, haben wir doch noch eigene Berechnungen angestellt:

THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-022 THE-ESFZ-Latentwaermespeicher-2016-023

Und tatsächlich: der von unserer Schallquelle maximal zu erzeugende Druck von rund 300 kPa (Kilopascal) liegt tatsächlich weit unter dem Wert, den man aus dem Phasendiagramm für Natriumacetat erwartet. Dieser sollte bei Raumtemperatur etwa 1000mal größer sein:

>> Daniel Oriwol – Natriumacetat als Latentwärmespeicher (PDF)

 

Also blieb letztlich nur die mechanische Auslösung. Hier zeigte sich jedoch, dass nach mehrmaligem Auslösen eines Taschenwärmers häufig bereits der Druck mit dem Finger auf das Metallplättchen für weitere Auslösevorgänge reichte – was zu folgender Auslösevorrichtung führte (MP4-Video):

 

Anschließend wurden Aufnahmen mit der Wärmebildkamera gemacht:


(MP4-Video)

Etwa in der Mitte des Films scheint das Bild kurzzeitig stehen zu bleiben. Dies liegt jedoch an einem Artefakt der Wärmebildkamera, die bei bestimmten Situationen kurz die Optik verschließt; in Wirklichkeit läuft der Kristallisationsprozess weiter. Außerdem erkennt man gegen Ende einen dunkleren Punkt auf dem Wärmekissen; dabei handelt es sich um eine kleine Luftblase. Da die Wärmeleitfähigkeit von Luft erheblich geringer ist, erwärmt sich diese Stelle nur langsam.

 

Manchmal klappte die mechanische Auslösung auch überhaupt nicht. Zurück blieb eine leicht angewärmte Tischplatte:


(MP4-Video)

 

Wenn der Taschenwärmer noch nicht auf Raumtemperatur abgekühlt war, zeigte sich ein streifenartiges Muster im Wärmebild:


(MP4-Video)

 

Abschließend noch ein paar interessante Ideen zum Thema Latentwärmespeicher und PCM:

>> Heizung auf Rädern (National Geographic, 2014)

>> mobiler 2-MWh-Latentwärmespeicher (LaTherm Energie AG)

 

Latentwärmespeicher finden mittlerweile auch in Baustoffen Verwendung, z.B. mikroverkapselte PCM für Fassadenputze oder als Füllmaterial für Fußbodenheizungen. Weiterführende Informationen hierzu gibt u.a. die vom Umweltbundesamt herausgegebene Seite www.cleaner-production.de:

>> Latentwaermespeicher in Baustoffen

 

Auch vom ZAE Bayern (Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung e. V.) und dem FVEE (ForschungsVerbund Erneuerbare Energien) gibt es entsprechende Publikationen:

>> ZAE Bayern

>> ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE)

>> FVEE: Materialien zum Thema Energiespeicherung

>> Latentwärmespeicherung: „Neue
Materialien und Materialkonzepte“ (FVEE 2001, PDF)

 

Auch in Starterbatterien von KFZ werden PCM verwendet, um die Batterie bei tiefen Temperaturen vorzuwärmen

 

/THE, September 2016